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Das endlose Zählen: Wie Vergleiche unser Leben bestimmen

  • Autorenbild: Anne Witt
    Anne Witt
  • 16. Juli 2024
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 11. März


Wie der Strand uns erdet

Ist euch schon mal aufgefallen, dass man ständig den Drang hat, Dinge zu zählen? Angefangen beim Sport. Ich stand neulich auf dem Stepper im Fitnessstudio und habe dabei meine Smartwatch getragen. Warum? Um am Ende des Tages darauf zu schauen und mich selbst dafür zu gängeln, dass ich die 10.000 Schritte mal wieder nicht geschafft habe. Weil es noch nicht reicht, sich mit Schritten unter Druck zu setzen, machen wir es vorzugsweise noch mit Kalorien und Kilogramm auf der Waage.


Aber warum zählen wir eigentlich? Naja – nur was man auf irgendeine Art und Weise gezählt hat, kann hinterher verglichen werden. Und das Vergleichen ist in unserer Gesellschaft schon allein deshalb notwendig, weil wir ohne den Vergleich von Menge und Qualität kein Preisschild hinter all das hängen können, was wir so den lieben langen Tag kaufen. Man könnte also sagen, das Vergleichen ist systemisch hinterlegt. Ich werde nicht anfangen, unsere Wirtschaft zu hinterfragen, denn dazu habe ich auch zu wenig Ahnung. Was ich aber hinterfragen möchte, ist die Art und Weise, wie wir Dinge zählen, die wir statt zu zählen, besser fühlen sollten.


Es gibt ein paar (wissenschaftlich erwiesene) Tatsachen wie zum Beispiel:


  • Über einen längeren Zeitraum hinweg übergewichtig zu sein, ist schlecht für die Gesundheit, untergewichtig zu sein aber auch.

  • Regelmäßiger Sport wirkt sich positiv auf die körperliche Fitness aus und dank Endorphinen kann er auch zum seelischen Wohlbefinden beitragen.

  • Wer mehr Geld hat, kann mehr kaufen.

  • Je länger man im Berufsleben ist, desto mehr Erfahrung sammelt man.


Das ist nur ein kleiner Auszug von Themen, die uns dazu verleiten, zu messen, um Vergleiche ziehen zu können. Tatsache ist aber:


  • Es gibt zwar Tabellen, die Übergewicht und Untergewicht definieren, aber letztlich ist das Gewicht das eine und wie wir uns fühlen das andere. Was bringt es mir, einen athletischen Körper zu haben und gemäß Gewichtstabelle Idealgewicht auf dem Papier zu erreichen, indem ich mich täglich ins Fitnessstudio quäle und Schritte zähle, wenn ich mich innerlich trotzdem leer fühle? Wenn ich aus falschen Motiven zum Sport gehe, anstatt intuitiv zu trainieren, um mich einfach gut in meinem Körper zu fühlen, bringt mir das ganze Zählen an dieser Stelle nichts.

  • Nicht zuletzt ist das Gehalt für die meisten Menschen ausschlaggebend bei der Berufswahl. Wer kann es uns verübeln bei den Preisen? Also zählen wir Geld und wechseln und verhandeln, weil wir mehr wollen. Schaut man kritisch auf das, was man sich mit dem zusätzlichen Geld kauft, sind es dann immer Sachen, die wirklich super sinnvoll sind und zu unserem tiefen inneren Glück beitragen? In meinem Fall kann ich das mit Nein beantworten. Meine Schränke sind voll und wenn mich zwischendurch der Rappel packt und ich ausmiste, merke ich, wie sinnfrei ich teilweise eingekauft habe und dass ich mir selten überlege, was davon ich wirklich brauche.

  • Wie oft bist du im Laufe deiner Karriere auf Kolleg*innen frisch aus dem Studium getroffen, die dich in Staunen versetzt haben, weil sie andere mit wesentlich mehr Erfahrung, inklusive dir selbst, in bestimmten Aspekten komplett in den Schatten gestellt haben? Umgekehrtes Spiel: Wie oft sind dir Menschen in vermeintlich sehr seniorigen, wichtigen Positionen begegnet, von deren Leistung du im Nachhinein enttäuscht warst? Berufsjahre hin oder her, der Mensch dahinter zählt.


Worauf will ich mit diesen Listen nun aber eigentlich hinaus? Unsere Gesellschaft malt mit Vorliebe schwarz und weiß. Jenseits der Norm zu liegen, egal ob links daneben oder rechts, wird grundsätzlich verurteilt. Wir werden mit so vielen Dogmen geimpft und es wird uns völlig abtrainiert, selbst in eine Situation hineinzuspüren und uns zu fragen, ob sich das gerade eigentlich gut für uns anfühlt. Richtig und falsch ist so genau vorgegeben, dass wir gar nicht erst nachdenken und direkt verurteilen. Und dann wundern wir uns, wenn wir zwar überall auf der Norm oder drüberliegen und uns trotzdem leer fühlen.


Es gibt auch für mich Dinge, die ich sehr eindeutig richtig oder falsch finde, aber Weniges davon ist absolut. Ich denke, es wird Zeit, dass wir aufhören zu zählen, zu vergleichen und zu verurteilen, und dass wir stattdessen anfangen, in uns selbst hineinzufühlen und dann intuitiv entscheiden, was wir fühlen.

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