Warum Marketing oft skeptisch betrachtet wird – und was dagegen hilft
- Anne Witt
- 15. Jan.
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 11. März

Kommt es euch auch so vor, als hätten die meisten Menschen gegenüber (internen) Marketingmitarbeiter:innen oder Marketingagenturen mindestens ein gesundes Misstrauen – wenn nicht sogar eine ganz offenkundige Ablehnung? Ich arbeite seit meinem Studium in diesem Bereich und kann sagen, dass ich dieses Misstrauen und die Missbilligung sowohl als Mitarbeiterin gespürt habe als auch gegenüber der ein oder anderen Marketingagentur selbst empfunden habe.
Woher rühren diese Vorbehalte und die „Abneigung“? Sicherlich lassen sich diese nicht pauschalisieren, doch ich habe aus meiner Erfahrung – sowohl als ausführende Kraft als auch als Kundin – einige Aspekte zusammengetragen, die Marketing auf der Beliebtheitsskala schnell absinken lassen.
1. Overpromise & Underdeliver
Nichts lässt Marketingmitarbeiter:innen oder Marketingagenturen so schnell in Ungnade fallen wie das „Große-Klappe-nichts-dahinter-Syndrom“. In Sales-Pitches werden oft Sterne und der Mond versprochen. Tauchen dann erste Herausforderungen auf, flüchtet man sich in Ausreden oder schiebt die Verantwortung auf andere. Ein Klassiker: „Stand so nicht im Briefing.“ Dieser Satz wird oft genutzt, selbst wenn das Briefing extra präzise formuliert wurde. Es geht nicht darum, sich unter Wert zu verkaufen, aber ein wenig Bescheidenheit hat noch niemandem geschadet.
2. Viel Storytelling, wenig Substanz
Wir alle lieben eine gute Geschichte, eine tolle Erfolgstory. Das allein reicht nur nicht. Gehe ich aus einem Meeting und fühle mich meiner Zeit beraubt, weil vor mir ein(e) zugegebenermaßen charistmatische(r) Marketingkolleg:in ein paar erstklassige Stories ausgepackt hat, aber ich hinterher immer noch keine Referenzen, keine Zahlen, keine nachweisliche Umsetzungs- und Projektmanagementkompetenz und kein genaues Ziel erahnen kann, hat das Marketing sein Ziel verfehlt und ich möchte weder etwas kaufen, geschweige denn etwas gemeinsam umsetzen.
3. Nicht zuhören
Dieser Punkt knüpft an das vorherige an: Wenn Marketingmanager:innen lieber reden als zuhören, entstehen am Ende Strategien, die das widerspiegeln, was sie selbst denken – nicht aber das, was die Kundin / der Kunde eigentlich will. Die Kunst liegt darin, die Kund:innen zum Reden zu bringen, etwa durch vorbereitende Fragebögen oder eine strukturierte Bedarfsermittlung. So sind alle Parteien gut vorbereitet, und das erste Gespräch wird produktiv. Es ist eine Herausforderung, Stille auszuhalten und den Gesprächspartner:innen Raum zu geben, sich zu äußern – aber es lohnt sich.
4. Unnötiges „Aufschwatzen“
Gerade in der Zusammenarbeit mit kleinen Unternehmen, sollte man nicht versuchen, ihnen direkt das ganz große Paket zu verkaufen. Das Budget ist vermutlich knapp und nehmen wir an, es ist der erste Versuch Richtung Marketingstrategie, dann sind die MitarbeiterInnen vermutlich auch skeptisch. Ich bin kein großer Fan davon zu sagen „man muss sich erstmal beweisen“, glaube aber fest daran, das Vertrauen wachsen muss. Und das wächst, indem man die Wünsche der KundInnen umsetzt (natürlich darf trotzdem kritisch hinterfragt werden), sie nicht mit zu viel des Guten überfordert und sich an Budgetgrenzen hält, auch wenn da vielleicht „noch mehr geht“. Steht dieses Vertrauen, bringt man sich selbst vielleicht in die glückliche Lage, mitwachsen zu dürfen und Teil einer jahrelangen Partnerschaft zu werden. Läuft es gut, merken die KundInnen, dass es läuft und kommen ganz von selbst, um über zusätzliche Maßnahmen zu sprechen.
5. Unauthentisch sein
Für mich DER Punkt schlechthin. Viele Firmen haben ein richtig gutes Marketing. Blickt man dann hinter die Kulissen und stellt fest, dass Dinge beworben und kommuniziert werden, die in Wahrheit ganz anders aussehen, hilft das ganze Marketing nichts. Ein Beispiel: das Employer Branding (Personalmarketing) ist eine 12/10. Checkt man kununu und sieht dann aber, dass die Weiterempfehlungsrate unter 50% ist, ist das Vertrauen gebrochen, die Werbung unauthentisch und man hat eher Schaden angerichtet als Nutzen gestiftet. Wenn ich lese, was hier auf LinkedIn der ein oder andere Influencer schreibt, gerade über Themen wie Leadership, klingen alle, wie die besten Führungskräfte der Welt. Wie authentisch ist das alles und wieviel davon ist Selbstdarstellung, Ego, ein falsches Selbstbild? Worauf ich hinaus möchte? Am besten ist Marketing, in welchem Bereich auch immer, wenn man meint, was man sagt und sich das in den Produkten und der eigenen Philosophie widerspiegelt.
Diese Liste lässt sich sicherlich auch auf andere Abteilungen übertragen. Das Marketing steht jedoch besonders im Fokus, da es subjektiver wirkt und der Outcome für Außenstehende oft nach „wenig Arbeit“ aussieht. Die genannten Punkte zu beachten, ist keineswegs leicht. Dieser Beitrag entstand aus persönlichen Erfahrungen und dem Feedback, das ich über die Jahre erhalten habe. Für mich gehört es zu gutem Marketing, kritisch mit sich selbst zu sein, regelmäßig nachzufragen und zu reflektieren. Mindestens genauso sehr, wie sein Handwerk zu beherrschen.

